Zwei Tage entspannt die Küste entlangsegeln, den Jahreswechsel mit den Portugiesen am Strand von Quarteira begehen, Vergangenes hinter sich lassen und Neuem freudig begegnen. So haben wir uns das gedacht. Das Meer für uns allein, kaum ein Boot unterwegs. Eine Delfinfamilie mit mehreren Jungen in Spiellaune begleitet uns. Sie gleiten mit, kreuzen vor dem Bug, führen Luftsprünge vor, als wollten sie uns grüßen.

Auf dem Heimweg an Neujahr, der Hafen bereits in Sichtweise, stolpert Carola und knallt auf’s Deck. Ihr Kreislauf sackt weg, sie bleibt liegen. Ein Knöchel wird dicker und dicker.

Zweiter Januar. Notaufnahme des Krankenhauses in Alvor. Die junge Ärztin diagnostiziert eine Bänderdehnung, während ich im übervollen Wartebereich ausharre, eine Stunde, eine zweite. Eine Röntgenaufnahme, zur Sicherheit, regt die Doktorin an. So sei es.

Die Schiebetür zur Notaufnahne öffnet und schließt lautlos. Malade Menschen gehen hinein, kommen heraus. Doch manche kommen nicht wieder heraus. Ich ertappe mich in Gedanken: Was würde ich tun, wenn Carola nicht mehr heraus käme?

Ich schreibe ihr eine Nachricht. Doch sie läuft in der Umhängetasche meiner Frau, die ich bei mir habe, ins Leere. Ich stelle mich an die Tür, bis eine Ärztin auftaucht. Doch die zuckt nur mit den Schultern, als ich ihr den Namen der Vermissten nenne. Irgendwann kommt Personal, das ich zuvor uniform gesehen habe, in privaten Klamotten aus der Notaufnahne und verlässt das Gebäude. Die Leute, die um mich herum sitzen, sind andere als noch vor zwei Stunden, auch die Gesichter des Personals. Niemand kennt mein Frau, niemand hat sie gesehen, ihr Name steht auf keinem Papier. Und dann, endlich – mittlerweile sind drei Stunden vergangen -, steht sie in der Tür. Sie hat eine Aufnahme in der Hand, die sie mir frustriert hinhält. Die Wade. Ein glatter Durchbruch, das sehe selbst ich sofort. Und ein gebrochener Zeh.

Last Updated on 4. Januar 2024 by KMF

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