Gut gekühlt fährt besser

Gut gekühlt fährt besser

„Schraubendreher.“

„7er Ratsche.“

„10er Schlüssel.“

Klammer, Tupfer. Stirn, zunähen. Ich komme mir vor  wie eine OP- Schwester Hildegard beim Anreichen des Werkzeugs durch die Luke nach unten, wo Meister Ralf schraubt, hämmert, drückt, quetscht und zieht wie ein Chirurg. Ralf, unser Motorenspezialist vor Ort, unser Mann  für den engagierten Einsatz, unser Retter in der Not, sitzt auf dem Motoblock. Von oben sieht es aus, als würde er ihn umarmen. Da ist definitiv eine Art Zuneigung im Spiel, wenn er geduldig den Geräuschen lauscht, wenn er über die Anschlüsse streicht, oder behutsam das Werkzeug ansetzt. Wie im richtigen Leben auch hier mit dem Anspruch auf Rettung dessen, was zu retten ist. Einer der Schiffsdiesel brummt verdächtig und spuckt mehr Luft als Wasser. Wenn er hustet, qualmt er wie ein Schlot. Wenn das so weitergeht, frisst sich irgendwann der Kolben fest. Das ist dann so eine Art Lungenkrebs. Kaum noch heilbar.

Ein Motor braucht Kühlung. Auf dem Schiff wird das mit Seewasser bewerkstelligt. Es wird gefiltert, durch einen Wärmetauscher gepumpt und schließlich wieder über Bord geleitet. Permanente Temperaturschwankungen, das Wasser, Salz – es ist nur eine Frage der Zeit, bis da etwas kaputt geht. Die Dream Chaser ist jetzt im siebten Jahr.

Aber was? Was ist kaputt? Wir haben die Anschlüsse nachgezogen, haben den Vorfilter geleert, das Pumpenrädchen, genannt Impeller, ausgetauscht, den Abgaskrümmer ersetzt, Roy zum Reinigen der Seewassereinlässe bemüht (tauchenderweise wohlgemerkt!), den Wärmetauscher mühevoll gereinigt. Das heißt, Ralf und Roy haben das gemacht. Ich war nur Handlanger.

Nichts. Am Ende haben wir die ganze Impellerpumpe ausgebaut und in ihre Einzelteile zerlegt. Das wir jetzt schon treffender. Ich, der Lehrling. Welle, Dichtungen, Kugellager, Spannringe. Das ging nur in der Werkstatt und dem passenden Werkzeug. Ein kleiner Gummiring mit Kupferdraht war beschädigt. „Was? Sonst nichts?“. Ich schüttele den Kopf. Was würden wir nur ohne Ralf machen. Als ich die Pumpe wieder eingebaut habe (ohne weitere Hilfe), ist ein ganzer Arbeitstag vorüber. In Sachen Kühlwassersystem gehe ich jetzt als Geselle durch.

Das Drecksding hat mich sechs Wochen lang beschäftigt. Was sage ich: gequält regelrecht. Als mein Bruder Jürgen mit seiner Frau Gabi an Bord war, im Juni, ging das bereits los. Wollte nicht einsehen, dass so ein bißchen Pumpe mit Schlauch und Schrauben nicht so will wie ich; dass sie meine Pläne durchkreuzen könnte. Und sei es nur die für den Abend.

Engine Nr. 2 schnurrt wieder wie ein Kätzchen. Das Problem ist behoben. Carola sieht, wie ich mich freue und drückt auf den Auslöser ihres Smartphones.

Loslassen

Loslassen

Wie schwer es doch fällt loszulassen.
„Wir müssen besprechen, wann ich im kommenden Jahr aufhöre zu arbeiten“, sagt sie.
Im kommenden Jahr? Nein. Jetzt; jetzt ist der Zeitpunkt aufzuhören. Du bist ja schon dabei. Du weißt nur noch nicht, wie du es anstellen sollst. Wir sind längst unterwegs, sind bestens vorbereitet, haben das Boot zu unserem gemacht, und in drei Monaten setzen wir endgültig die Segel und verlassen den Ort am südwestlichen Zipfel von Europa, der für die meisten Segler nur ein Ankommen oder Ablegen markiert auf ihrem Weg über den Atlantik, für uns aber bereits zur Heimat zu werden beginnt. Wir segeln in die entgegengesetzte Richtung, zwischen den Säulen des Herakles hindurch, hinein in das Meer der alten Welt, die für uns eine neue sein wird. Loslassen. Jetzt.

Beschaulich

Beschaulich

Es gibt sie noch, die Orte, an denen die Welt ihren gewohnten Gang geht. Die kleinen verschlafenen Nester, in denen das Leben am Morgen seinen gewohnten Gang geht. Fischer, die gleichmütig ihre Netze reparieren. Leute beim Bäcker, aus dessen Stube es herrlich nach Frischem duftet. Einheimische, die vor einer Hauswand auf einer Bank sitzen oder an den Lampenmast gelehnt auf den Bus warten.

Ok, ich gebe zu, wir haben da ein wenig nachgeholfen. Mit freundlicher Unterstützung der Paltenfamilie aus Neuseeland. 😉

Überraschungen

Überraschungen

Sonnenaufgang hinter der Lagune, klarer Himmel. Das Versprechen eines wundervollen Tages. Wir sind früh aufgestanden. Jeder einen starken Kaffee, ein kurzes Briefing zum Ablauf der bekannt heiklen Ausfahrt mit starker Strömung, engen Durchfahrten, Wirbeln im Wasser; danach die Vorbereitungen zum Ablegen. Reine Routine. Checkliste lesen, Start the Engines…

Die Fahrt durch die Lagune entlang des betonnten Fahrwassers verläuft problemlos. Die starke Strömung schiebt uns förmlich des Ausfahrt entgegen. Alles scheint gut. Doch dann sehen wir von weitem eine weiße Wand in Bewegung. Die Dünung des offenen Meers. Sie knallt auf die aus der Lagune auslaufenden Wassermassen wie gegen eine Mauer und  steigt in wildem Getöse empor. Drei, vier Meter hoch türmt sich das Meer und als wir hineingeraten, wird unser kleines Boot heftig geschüttelt. Die Kühlschränke springen auf und wieder zu, Tassen und Gläser hüpfen aus der Spüle, eine nicht sicher verstaute Tischlampe geht über Bord und wir müssen uns festhalten, um nicht umzufallen. Die Dream Chaser durchpflügt rollend und gierend einen brodelnden Kochtopf. Zwei, drei Minuten lang geht das so und ich frage mich, wie mir das passieren konnte, mich derart überraschen zu lassen. Immerhin, Steuermann Mike führt das Boot sicher durch die Strudel und den Sturm im Wasser in ruhigere Gefilde, und wenn ich das richtig in seinem Gesicht gesehen habe, hatte er sogar Spaß an dieser Herausforderung. 

Die Sonne scheint, der Wind bläst mit Stärke fünf aus Ost, wir setzen Segel und nehmen Kurs auf Portimao. 

Strudel @ Culatra Entry
Culatra Transit
Culatra Exit, 09. MAI
Cetaceans

Cetaceans

Sie planen Kurs auf die Säulen des Herakles, in fester Absicht, hindurch zu kommen und in freudiger Erwartung dessen, was die andere Seite verheißt. Das ganz Mare Nostrum wird zu ihren Füßen liegen, sobald sie die enge Stelle zwischen Gibraltar und Ceuta passiert haben. Andere fahren einfach drauflos. Es kann doch nicht so schwer sein…

Wir haben uns das gut überlegt, haben uns verfügbare Zeitfenster zurecht gelegt, Reiseziele besprochen, Marokko, Andalusien, Tunesien, das zu erwartende Wetter nach Jahreszeiten… und so weiter… Und die Orcas, englisch Cetaceans. So nennen die Behörden das nüchtern. Wenn man Latein benutzt, hört es sich sachlicher an. Es ist aber nicht sachlich. Die Orcas kreuzen unsere Pläne ein ums andere Mal, weil sie sich nicht so verhalten, wie alle bislang gesagt haben: Sie gehen nicht an Katamarane, hieß es; Rote Rümpfe mögen sie nicht; Motoren aus, wenn sie sich nähern; im Herbst sind sie im hohen Norden; ins Mittelmeer kommen sie nicht. Alles falsch! Das alles machen sie nämlich. Neuerdings. Erst vor Kurzem haben sie in der Straße von Gibraltar zwei Boote angegriffen. Eins davon ist gesunken. An der Algarve sind sie auch wieder gesehen worden. Es gibt nichts, woran man sich halten kann. Hieß es bis vor Kurzem: Motor aus!, ist die neueste Empfehlung der Regierung, bei einer Sichtung von Orcas das Gebiet so schnell wie möglich unter Motor zu verlassen.

Vielleicht ist es auch so, dass wir, die Menschen, die Pläne der Orcas durchkreuzen. Das weiß niemand genau. Oder wir sind einfach nur praktisch für die Orca-Mamas, als Segler: An unseren Ruderblättern kann man prima den Kids die Thunfischjagd beibringen.

Die roten Pins auf dem Beitragsbild kennzeichnen die Begegnungen von Segelbooten mit Orcas, die Schäden verursacht haben. Im November. Es wird uns nichts anderes bleiben, als entlang der 20m Wasserlinie zu schleichen, den Blick immer nach rechts, in der Hoffnung, dort möge sich niemals eine Flosse zeigen. Dreimal bin ich in diesem Sommer zusammengezuckt, als ich Flossen gesehen habe. Jetzt werde ich schon bei Delfinen nervös. Freuen wir uns aber erstmal auf die kommende Saison in Lagos!

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