Wir saßen beim ausgiebigen Frühstück auf dem Achterdeck unseres Schiffes, nachdem wir zuvor die Küste von Benagil erkundet hatten. Mit dem Beiboot kommt man ganz dicht heran an die imposanten Gesteinsformationen, die die Algarve hier herausgebildet hat, man kann unter Steinbögen hindurch und in Grotten hineinfahren. Wir hatten unseren nächtlichen Ankerplatz in Ferragudo vor dem Morgengrauen verlassen, und waren langsam dem Sonnenaufgang über das ruhige Meer entgegen geglitten, um am frühen Morgen die Ersten an diesem besonderen Ort zu sein. Unterwegs begegneten wir einer Delphinfamilie. Wir waren glücklich. 

Unsere Hoffnung auf Ungestörtheit konnten wir indessen schnell begraben. Bereits kurz nach Sonnenaufgang machte sich eine erste Gruppe von Leuten mit Kajaks für die Fahrt entlang der Klippen bereit. Es ist eine Attraktion. Die Touristen werden von einem Mutterschiff über eine Rampe zu Wasser gelassen, schwirren auf den immergleichen Wegen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit und kehren zur festgelegten Zeit zurück, um über dieselbe Rampe wieder trockenen Fußes an Deck zu gelangen. Während der Saison geht das den ganzen Tag über so, wie in einem Wespennest. Und wenn die Urlauber nach Hause zurückkehren, können sie voller Stolz behaupten: Wir sind Kajak gefahren.

Als wir in der berühmten Höhle mit der Lichtkuppel ankamen, bevölkerte bereits ein Dutzend Touristen das Ufer. Sie saßen im Sand, erkundeten die Winkel der Höhle, posierten aber vor allem vor ihren am langen Arm ausgestreckten Handies. 

Es ist nahezu unmöglich geworden, allein mit sich auf der Welt zu sein. 

Wir nahmen es gelassen und fuhren zurück an Bord. Die leichte Welle an unserem Ankerplatz vor den Höhlen stand quer zum früh einsetzenden Wind. Sie sollte noch zunehmen. In den kommenden Tage würde der Nortada noch stärker als üblich am Nachmittag über die Küste hinwegfegen. Das würde das Anlegemanöver in der engen Parkbucht unseres Heimathafen deutlich erschweren. Bei gebratenen Eiern und Speck diskutierten wir den besten Zeitpunkt für unsere Rückfahrt, idealerweise unter Segel, bei halbem Wind.

Nach dem Frühstück nahm ich einen zweiten Kaffee und setzte mich an Deck. Die frühe Sonne ließ das Wasser glitzern wie Funkelsteine. Ein Anblick der mich immer wieder verzaubert. 

Von backbord näherte sich ein Paddelboot unserem Heck. 

Das ging zu weit. Sollten sie doch Ihre Grotten besichtigen, scharenweise der Küste entlangfahren, uns den Rang in der Frühe ablaufen. Aber uns schaulustig auf den Teller glotzen, das ging zu weit. Ich sprang auf, um den Unverschämten zu verscheuchen. Der Paddler hatte sich der Heckplattform bereits so weit genähert, dass er nach ihr hätte greifen können. Er sah nicht nach Tourist aus, trug keine Badeklamotten, keine Schwimmweste, sein Kajak war nicht knallbunt, ja, es war von überhaupt keiner Farbe, sondern so stark ausgebleicht, dass man nur erahnen konnte, dass es einmal rot gewesen sein muss. Die sonnengegerbte Haut des Paddlers sah nach Arbeit aus. Der Vollbart reichte ihm bis auf die Brust. Er trug einen Strohhut mit breiter Krempe. Erst jetzt fiel mir auf, dass sein Boot von vorne bis hinten bepackt war. Ich stand bereits am Heck, als der Mann mir allen Wind aus den Segeln nahm, indem er mich direkt ansprach: „Guten Morgen mein Herr, ist der Skipper an Bord?“

So sehr ich geneigt war, darin eine Unverschämtheit entdecken zu wollen, so beeindruckt war ich von der Frage des Mannes, zeugte sie doch von seemännischer Kenntnis. Ich hielt an mich und antwortete: „Der Skipper, das bin ich.“

Der Mann erklärte daraufhin bereitwillig, dass er, von der Westküste Portugals kommend, der ganzen Algarve entlang geppadelt war, und nun, bei günstigen Bedingungen, so Gott will, an Umkehr denke. Seine schlichte, aber bedeutende Frage an den Skipper lautete: „Darf ich fragen, wie wird das Wetter?“

Ich gab ihm detailliert Auskunft für die nächsten drei Tage. Das stabile Hoch bei den Azoren, der starke Nordwind bis in die Nacht hinein, die überwiegend ruhige See. Er bedankte sich, grüßte und lenkte das Kajak der Sonne entgegen. Seine Silhouette verschwand allmählich auf dem glitzernden Wasser. Er kann es nicht wissen, aber er ist mit seinem Paddelboot durch mein Weltbild gefahren.

Last Updated on 6. September 2023 by KMF

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