Angenehm sind die Vormittage an der Algarve, sonnig und warm. Doch in diesen Tagen, gegen 16 Uhr setzt regelmäßig Nordwind ein. Die Boote in der Marina zerren an den Leinen, der Sand bläst waagrecht über den Strand, die Sonnenhüte der Damen fliegen davon und hinaus aufs Meer. Das ist der Nortada, der, aus dem Azorenhoch geboren, im Sommer warme Luftmassen über der iberischen Halbinsel nach Süden schaufelt, wenn sich die Landmassen während des Tages stark erwärmen. Die Böen können dann mit 25 kt (45 km/h) durch die Marina brausen und wer nicht rechtzeitig angelegt hat, läuft Gefahr, der bunten Touristenschar entlang des Quais ein erstklassiges Hafenkino zu bieten. Rufe werden zu Schreien, Menschen laufen unkoordiniert über Decks, Leinen fallen ins Leere, Fiberglasrümpfe krachen verstörend auf Metall oder Beton.
Wir genießen den Spätnachmittag auf der Liegefläche am Vorschiff, als die Malu an uns vorüberfährt, eine 40 Fuß Segelyacht. Anfangs zu schnell für die Enge des Hafenbeckens. Dann zu langsam. Wir sehen der Crew die Anspannung an. Menschen mit einem Leinenhaufen, zu hoch positionierte Fender, der Skipper am Ruder schwitzt und kommandiert hektisch seine Crew auf dem Boot herum. Eine Jugendliche im Bikini schüttelt genervt den Kopf. Dann ergreift der Wind die Kontrolle über das Boot. Schon treibt der Bug ab und in Richtung einer etwas längeren Yacht, deren massiver Anker wie eine Lanze mit Widerhaken jedem droht, der ihr zu nahe kommt. Der Stress steigt ins Unermessliche. Ein Krachen, ein Schlag, Schreie. Kindergezeter. Vatergebrüll. Das Mädchen schüttelt den Kopf und geht unter Deck. Eine Frau, die ihre Mutter sein könnte, lässt sich kraftlos auf den Kajütaufbau sinken und verbirgt das Gesicht in Händen.
Last Updated on 20. August 2023 by KMF
Segler, Autor