Cetaceans

Cetaceans

Sie planen Kurs auf die Säulen des Herakles, in fester Absicht, hindurch zu kommen und in freudiger Erwartung dessen, was die andere Seite verheißt. Das ganz Mare Nostrum wird zu ihren Füßen liegen, sobald sie die enge Stelle zwischen Gibraltar und Ceuta passiert haben. Andere fahren einfach drauflos. Es kann doch nicht so schwer sein…

Wir haben uns das gut überlegt, haben uns verfügbare Zeitfenster zurecht gelegt, Reiseziele besprochen, Marokko, Andalusien, Tunesien, das zu erwartende Wetter nach Jahreszeiten… und so weiter… Und die Orcas, englisch Cetaceans. So nennen die Behörden das nüchtern. Wenn man Latein benutzt, hört es sich sachlicher an. Es ist aber nicht sachlich. Die Orcas kreuzen unsere Pläne ein ums andere Mal, weil sie sich nicht so verhalten, wie alle bislang gesagt haben: Sie gehen nicht an Katamarane, hieß es; Rote Rümpfe mögen sie nicht; Motoren aus, wenn sie sich nähern; im Herbst sind sie im hohen Norden; ins Mittelmeer kommen sie nicht. Alles falsch! Das alles machen sie nämlich. Neuerdings. Erst vor Kurzem haben sie in der Straße von Gibraltar zwei Boote angegriffen. Eins davon ist gesunken. An der Algarve sind sie auch wieder gesehen worden. Es gibt nichts, woran man sich halten kann. Hieß es bis vor Kurzem: Motor aus!, ist die neueste Empfehlung der Regierung, bei einer Sichtung von Orcas das Gebiet so schnell wie möglich unter Motor zu verlassen.

Vielleicht ist es auch so, dass wir, die Menschen, die Pläne der Orcas durchkreuzen. Das weiß niemand genau. Oder wir sind einfach nur praktisch für die Orca-Mamas, als Segler: An unseren Ruderblättern kann man prima den Kids die Thunfischjagd beibringen.

Die roten Pins auf dem Beitragsbild kennzeichnen die Begegnungen von Segelbooten mit Orcas, die Schäden verursacht haben. Im November. Es wird uns nichts anderes bleiben, als entlang der 20m Wasserlinie zu schleichen, den Blick immer nach rechts, in der Hoffnung, dort möge sich niemals eine Flosse zeigen. Dreimal bin ich in diesem Sommer zusammengezuckt, als ich Flossen gesehen habe. Jetzt werde ich schon bei Delfinen nervös. Freuen wir uns aber erstmal auf die kommende Saison in Lagos!

Mitunter kommt es anders als man denkt

Mitunter kommt es anders als man denkt

Wir hatten uns das schön ausgemalt, ein paar Tage an die Algarve im November. Carola zum Wochenende hin noch im Boat Office, dann rausfahren, bei leichtem Wind das Gennaker setzen, bis querab Faro in Sicht kommt. Über Nacht in der Lagune ankern. Wir nehmen uns Zeit bis in den Wochenbeginn hinein. Doch in dem kleinen Bankenturm in Frankfurt bringt ein kleines Chaos aus. Die Kollegin kommt nicht wie erwartet aus ihrem Urlaub zurück, sondern meldet sich krank. Die Arbeitslast ohnehin grenzwertig, und dann kommt unerwartet und kurzfristig ein neues Megaprojekt am Persischen Golf hinzu. Alles ruft in gefühlter Dringlichkeit nach einem Sofort, das es in Summe so nicht geben kann. Erstmalig das Gefühl, dass man auf dem Boot am falschen Ort sein könnte. Ab Freitag Abend machen wir uns auch über die Wettervorhersage Gedanken: Nebel, Windstille. Hartnäckig, bis Montag. Zwei Wetterbedingungen, so haben wir uns geschworen, werden uns immer davon abhalten, rauszufahren: Nebel ist die eine, Windstärken größer als 5Bf sind das andere. Allerdings ist auch nicht wirklich prickelnd, bei Windstille stundenlang unter Motor die Küste abzufahren.

Dann halt ein andermal, sagen wir uns, packen am Sonntagmorgen und fahren zum Airport. Die Sonne scheint. Montag wird für Carola ein ganz normaler Bürotag.

Yachtmaster

Yachtmaster

Es ist Sonntag. Eine frische Brise weht im Yachthaven Lymington. Das Met Office kündigt für heute leichten Wind aus Südwest an, moderate See, etwas Sprühregen und überwiegend gute Sichten. Die Boote in der Marina wiegen sich leicht im Wind, Seelenruhe- Stimmung. Carola packt die letzten Sachen in ihre Segeltasche, während ich noch einmal durch die Masten der anderen Boote hindurch in Richtung Solent schaue – geschafft.

Zwei Wochen harter Ausbildung liegen hinter uns. Mehrere Navigationen mit der 13m Segelyacht NEW DAWN zwischen Containerschiffen, Oceanriesen, U-Boot-Barrieren und Autofähren hindurch. Fahrten im Dunkeln in unbeleuchtete Flussmündungen hinein, Mann-über-Bord Rettungen unter Segeln, Wendemanöver in der berühmt-berüchtigten Durchfahrt von Needles, Passageplanungen durch den Ärmelkanal nach Frankreich – geschafft.

Erkältungen, zurückgebliebenes Gepäck, zwei Tage unter Deck im Sturm, Leistungshöhen und -tiefen bis nicht mal mehr ein Knoten geklappt hat, all dies und andere Unwägbarkeiten – geschafft.

Die 24-stündige Prüfung durch Captain Edmund Hadnett, der wir uns wie brave Gymnasiasten gestellt haben, nicht immer grundsicher über das eigene Vermögen und abhängig von der Gunst des Cargocaptains mit zweifelhafter Segelexpertise. Aber was soll’s: Geschafft!

Wir dürfen uns jetzt Royal Yachtmaster Offshore und Coastal Skipper nennen.

Was ist da los?

Was ist da los?

Was ist da los?, fragte ich Carola, als ich das Großsegel einholen wollte. Es saß fest. In voller Pracht, soll heißen vollständig gesetzt.

Wir waren unterwegs auf einem Sonntagsausflug, Daysailing nennt man das wohl neudeutsch. Die kleine Ausfahrt führte uns zunächst zum Punta do Piedade, einer der schönsten Felsen an der Algarve, mit Leuchtturm. Clemens, unser Sohn, war mit Freunden für ein paar Tage zu Besuch bei uns an Bord. Mit dem Beiboot durch die Grotten, Chillen auf dem Vorschiff, und dann ein bißchen Segeln. Man muss den jungen Leuten ja etwas bieten. Die Bucht von Ferragudo war erneut das Ziel. Für den Abend hatte ich einen Tisch im angesagten Beach-Club Nau reserviert. Easy mit dem Beiboot an den Strand fahren, Flip-Flops an, und vom Wasser her den Club betreten, wo einen britische Band den rausgeputzten Gästen zum Sonnenuntergang bereits kräftig einheizt. Das war der Plan.

Segeln wäre indessen nicht Segeln, wenn da nicht immer wieder mal ein kleiner Zwischenfall der Sache etwas Abenteuer einhauchen würde. Bisher wussten wir, dass es herausfordernd sein kann, ein Großsegel zu setzen. Dass es um ein Vielfaches ärgerlicher ist, wenn der verdammte Lappen nicht mehr runterkommen will, war uns neu. Mit gesetztem Großsegel kann man nicht zurück in die Marina.

4-5 Windstärken, 1m Welle. Zwei lange Stunden haben wir versucht, das Ding zu Fall zu bringen. Wir haben abwechselnd mit Gefühl die Leine gezogen, gedrückt, sogar gedreht. Wir haben sie mit roher Gewalt über die Winsch gezwungen. Wir haben das Boot mal in den Wind gelegt, mal sind wir Manöver gefahren. Nichts.

Es blieb nichts anderes, als mit gesetztem Segel in einer geräumigen Bucht vor Anker zu gehen. Dort, so der Plan, wäre es möglich, an die Mastspitze zu klettern und dort oben, wo sich irgendetwas verklemmt haben musste, nach dem Rechten zu sehen. Die Leine, an der das Segel hängt, war gespannt wie eine Klaviersaite. Carola und ich auf eine ganz andere Art angespannt. Es ist kein Spaziergang, bei diesen Bedingungen auf 20m Höhe, Kirchturmhöhe, herumzukraxeln.

Relax, sagte Denys, der Rigger, der uns schon mit der Orca-Sache aus der Patsche geholfen hatte. Relax. What a smart guy. Er kam, zusammen mit seiner Frau Carla, kletterte kurz nach oben und löste die Verklemmung. Danach gab es reichlich Bier zum Sundowner. Und wir haben nebenbei gelernt, wie ein Profi den Mast erklimmt.

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