Meine Frau parkt gern in der ersten Reihe. Wenn sie in den REWE fährt, nimmt sie den Parkplatz vor dem Eingang ins Visier. Wenn wir nach Bad Homburg zum Essen gehen, wählt sie nicht den Weg ins nahe Parkhaus, sondern fährt vor das Restaurant, um dort einen der wenigen Parkplätze zu ergattern. Zur Ausstellungseröffnung einer Galerie in Sachsenhausen fährt sie auf den Schweizer Platz, als gäbe es dort Freitagabend um Neunzehn Uhr einen Platz direkt vor der Tür.
Das Erstaunliche: Sie bekommt immer den Platz ihrer Wahl. Es ist nicht zu fassen. Der gesunde Menschenverstand flüstert einem zu: Nimm das Parkhaus, Wähle eine Seitenstraße, Geh‘ die paar Meter in den REWE zu Fuß.
Nein. Carola will den Platz ganz vorne. Und sie bekommt ihn. Das versetzt mich immer wieder in Staunen. Ich plädiere regelmäßig für Vernunft, verweise auf den erwähnten gesunden Menschenverstand, manchmal sogar auf die absolute Unmöglichkeit ihres Vorhabens. Vergeblich.
Heute Morgen lichteten wir Anker in Pt. Andratx, um uns ein Stück nach Osten vorzuarbeiten, und einen geeigneten Hafen zu finden, in der wir Bootspflege betreiben können. Die Marina von Santa Ponsa als erste Wahl. Alternativ Palma. Dieser Riesenhafen mit einem Dutzend Marinas, Luxusyachten, Kreuzfahrtschiffen, Charterbasen. Ich bin schon am Zweifeln, ob das ein valider Plan B ist, und Santa Ponsa will uns leider nicht. Der pittoreske Hafen ist voll.
Carola sagt: Lass uns nach Palma fahren.
Ich halte dagegen, glaube, dass es in der Inselhauptstadt erst recht schwierig wird, einen Platz zu finden.
Doch doch. Ich habe ein gutes Gefühl. Das sagt sich leicht. Ich schüttle den Kopf. Mit einem guten Gefühl allein hat keiner je einen Liegeplatz im Hafen von Palma bekommen.
Wir versuchen es per Telefon, per E-Mail, bei Annäherung an den Hafen auch per Funk. Immer die gleiche Antwort. Wir laufen am Paseo Maritim sogar in eine Chartmarina ein. Sie ist halb leer. Doch als wir auf Kanal Acht nach mehreren Versuchen den Marinero erreichen, lässt der uns kalt abblitzen. Fully booked. Dass ich nicht lache. Ich denke, wir werden das dringend benötigte Frischwasser an der Tankstelle aufnehmen und dann, Plan C, in einer Bucht südlich von Palma vor Anker gehen. Ich drehe bereits das Boot auf dem Weg nach draußen, als Carola sich noch mit Einem unterhält, der auf dem nahen Pier seiner Arbeit nachgeht.
Wir probieren es noch dahinten, in der La Lonja Marina, sagt sie.
Schon klar, ganz vorne, nur wenige Meter von der Altstadt entfernt.
Jaja, sie deutet in die Richtung, und wechselt den Kanal am Handfunkgerät. Ich höre nur Si, Yes, a la derecha, stay to the right, und fahre die Dream Chaser durch den Kanal, in dem links und rechts sich das Wasser des Hafenbeckens an den polierten Rümpfen von Traumyachten spiegelt. Dahinter liegen noch fast versteckt zwei Stege für kleinere Yachten. Zwei Marineros in roten Shirts winken uns zu, ich folge ihren Anweisungen und zehn Minuten später machen wir ganz hinten fest, wo das Wasser endet und die Stadt anfängt.
Nachdem die Motoren abgestellt sind und die Anspannung des engen Anlegens von mir gefallen ist, sehe ich mich um. Die Stadtmauer der Altstadt verläuft hier und hinter den Masten der Nachbarboote, keine fünf Minuten zu Fuß entfernt, thront die Kathedrale. Erinnerungen an unsere vielen schönen Aufenthalte in der Stadft mischen sich ins Bild. Wir liegen mitten in Palma, in erster Reihe, und wäre es nach mir gegangen, ich hätte vor einer Stunde abgedreht und mich in irgendeine Bucht verdrückt. Grinsend schüttele ich den Kopf, während meine Penelope den Marinero noch um zehn Prozent runterhandelt.
Wie macht sie das bloß?
Last Updated on 5. Juni 2025 by KMF
Segler, Autor