Yachtmaster

Yachtmaster

Es ist Sonntag. Eine frische Brise weht im Yachthaven Lymington. Das Met Office kündigt für heute leichten Wind aus Südwest an, moderate See, etwas Sprühregen und überwiegend gute Sichten. Die Boote in der Marina wiegen sich leicht im Wind, Seelenruhe- Stimmung. Carola packt die letzten Sachen in ihre Segeltasche, während ich noch einmal durch die Masten der anderen Boote hindurch in Richtung Solent schaue – geschafft.

Zwei Wochen harter Ausbildung liegen hinter uns. Mehrere Navigationen mit der 13m Segelyacht NEW DAWN zwischen Containerschiffen, Oceanriesen, U-Boot-Barrieren und Autofähren hindurch. Fahrten im Dunkeln in unbeleuchtete Flussmündungen hinein, Mann-über-Bord Rettungen unter Segeln, Wendemanöver in der berühmt-berüchtigten Durchfahrt von Needles, Passageplanungen durch den Ärmelkanal nach Frankreich – geschafft.

Erkältungen, zurückgebliebenes Gepäck, zwei Tage unter Deck im Sturm, Leistungshöhen und -tiefen bis nicht mal mehr ein Knoten geklappt hat, all dies und andere Unwägbarkeiten – geschafft.

Die 24-stündige Prüfung durch Captain Edmund Hadnett, der wir uns wie brave Gymnasiasten gestellt haben, nicht immer grundsicher über das eigene Vermögen und abhängig von der Gunst des Cargocaptains mit zweifelhafter Segelexpertise. Aber was soll’s: Geschafft!

Wir dürfen uns jetzt Royal Yachtmaster Offshore und Coastal Skipper nennen.

Daysailing

Daysailing

So nennt man das, wenn man bei bestem Wetter mit Freunden rausfährt, die Segel setzt und entlang der Küste cruised. Schwimmen, schnorcheln, mit dem Dinghy die Grotten erkunden und abends sicher in einer ruhigen Bucht vor Anker liegen. Gemeinsam an Bord kochen oder mit dem Beiboot an den Strand in ein Restaurant oder den Beachclub. So haben wir das den ganzen August gemacht. Vielen Dank an Euch, die ihr uns besucht habt. Wir hatten mordsmäßig Spaß mit Euch!

Chillout in Portimão

Chillout in Portimão

Am Castelo de São João do Arade in vier Meter Wassertiefe den Anker fallen lassen, mit dem Dinghy an den Strand fahren, um dort im Beachclub mit Blick auf das eigenen Boot lecker zu speisen, danach der Sonnenuntergang auf dem Vorschiff, bei entspannter Musik und einem Gin Tonic. Alles ist gut.

Die Perle

Die Perle

Sevilla, die Stadt am Guadalquivir, ist eine Perle. Man kann die hundert Kilometer von der Flussmündung am Atlantik bis hierher mit dem Schiif befahren. Die Altstadt, die sich von einer Flussbiegung aus östlich an ihre Lebensader schmiegt, ist voller Schätze und Reichtümer. In ihren engen und verwinkelten Gassen pulsiert das Leben wie ein starkes Herz, das auf die ganze Region kraftvoll ausstrahlt. Und auf die Menschen, die sie besuchen.
In einem Gässchen des Stadtteils Triana, ganz in der Nähe des Wochenmarktes kamen wir nach einem langen hitzigen Tag in einem einfachen Café zu sitzen, bestellten etwas iberischen Schinken und Manchegokäse zu einem Glas kühlen Rosé, als aus einer Ecke des Raumes Gitarrenmusik erklang. Wir lauschten den Tonfolgen und Akkorden, die nicht unfröhlich, aber von einer tiefen Trauer getragen schienen. Vereinzelt stimmten in die Laute umsitzende Einheimischer mit kehligen Lauten ein, als kommentierten sie die Musik, mal zustimmend, mal wehklagend. Zwei, drei jüngere Männer fingen an, die Musik durch rhythmisches Klatschen der Hände zu begleiten und sie durch das schnelle Aufstampen mit den Absätzen ihrer Schuhe regelrecht Feuer an sie zu legen. Einer der Männer begann schließlich zu singen. Ich verstand ihn nicht, es konnte sich aber um nichts anderes handeln als um die Sehnsucht nach einer unerreichbaren Frau. Ihre Abwesenheit war förmlich spürbar. Umso größer unsere Verwunderung, als kurz darauf eine Tür aufging, die wir bis dahin nicht bemerkt hatten. Aus ihr trat eine Frau mit stolzen, kunstvoll gesetzten Schritten und von so farbenfroher Pracht, als käme ein Flamingo herein. Sie stimmte in das Klappern und Klatschen der Männer ein, steigerte dies nochmal durch die pure Kraft in ihren Beinen, und begann, schnelle, immer schnellere Drehungen auf der Bühne zu vollführen, bis ihr gepunktetes Kleid in einen einzigen Flamencowirbel verschwamm und das Publikum vollends mitriss. Eine Darbietung wie ein gewaltiges Naturereignis. Spontan und überwältigend. Und wir mittendrin. Kann es so etwas geben? Oder käme sogleich der Krüppel aus einer weiteren Ecke, um, in einer schrecklichen Vermengung von Faszination, Abstoßung und Mitleid seinen Hut von den zahlungskräftigen Touristen auf das Effizenteste befüllt zu sehen?

Im größten, das Publikum mitreißenden Schwung, sah ich einen kleinen Gegestand, der sich aus dem Gewirbel wie ein Funken löste und in einem Bogen, der seiner Physik entsprach, unter einen Blumentopf rutschte. Niemand außer mir schien den Vorgang zu bemerken, nicht einmal die Bailaora, die Tänzerin selbst. Der Tanz nahm seinen unvermeidlichen Verlauf, einer der Männer trat auf die Bühne und warb mittels Stierkämpferposen um die Gunst der Bailaora, die sich zierte. Ich betrachtete derweil das Schmuckstück. Eine schwarze Perle, in Silber gefasst. Es lag verwaist wie der Schuh eines Aschenputtel. Noch im Halbdunkel ging ein feiner Glanz von ihm aus, der einen Betrachter magisch anzieht.

Währenddessen kündete tosender Beifall vom Ende der Darbietung. Musikanten und Tänzer traten gemeinsam vor, um sich beim Publikum für dessen Aufmerksamkeit zu bedanken. Die Bailaora verneigte sich tief. Ich erhob mich blitzschnell, griff unter dem Blumentopf nach dem Schmuckstück, wagte mich gebückt bis an das Fußende der Bühne heran, griff vorsichtig nach der offenen Hand der flammenden Frau und legte sogleich das Schmuckstück hinein. Die Bailora, die spanischer nicht hätte sein können, bebte vor Überhitzung und sah zu mir auf. Dann sagte sie in einem Deutsch, das klarer nicht hätte sein können: Danke.

Die Entdeckung

Die Entdeckung

Ich stand am Grab des Christoph Kolumbus und kam mir klein vor. Neben mir stand ein Mann, dem es ähnlich zu ergehen schien. Er sah mit geöffnetem Mund nach oben in Richtung des Sarkophages und schien offensichtlich beeindruckt. Seine gebückte Haltung, die sonnengegerbte Haut und die knochigen Hände deuteten darauf hin, dass er jenseits der siebzig war. Seine kurzen Hosen, das Hawaihemd und die Baseballmütze auf dem Kopf ließen darüber hinaus erahnen, dass es sich um einen Touristen aus den Vereinigten Staaten handelte. Allerdings fiel mir auf, dass der Mann auf seltsame Art gerührt war. Seltsam deshalb, weil ich amerikanische Touristen in der Regel excited erlebe, nie aber gerüht. Ich sah darfaufhin ebenfalls nach oben. Der Sarkophag mit den letzten Resten des großen Mannes wird von vier überlebensgroßen Herolden getragen. Sie scheinen in Bewegung, wollen quer durch die heilige Halle. Vorbei an der Orgel, die bis zum Himmel reicht, zumindest aber bis zum Dachhimmel der Kathedrale, und womöglich durch den gegenüberliegenden Ausgang wieder hinaus. So kommt auch die letzte Reise dieses Abenteuerers und Entdeckers zu keinem Ende. Sie hat ihn bereits nach seinem Tod von Valladoid nach Sevilla geführt, von hier wieder zurück über den Atlantik nach Santo Domingo, weiter nach Havanna und vor einhundertzwanzig Jahren wieder zurück nach Sevilla. Von keinen Geringeren als den spanischen Königreichen selbst wird Kolumbus, nach dem auch ein Land in Südamerika benannt ist, das er nie betreten hat, getragen. Kastilien und Leon gehen aufschauend vorweg, Navarra und Aragon, die in den ersten Jahrhunderten nach der Wiederentdeckung Amerikas nicht so gut auf den zu sprechen waren, der als genuesischer Seefahrer in den Diensten Kastiliens gestanden hatte, schauen betreten zu Boden.
Sevilla feierte vor wenigen Jahrzehnten im Rahmen einer Weltausstellung die fünfhundertjährige Entdeckung Amerikas und bedankte sich bereits neunzig Jahre zuvor bei ihrem großen Entdecker, indem es ihm den Platz an der Puerta de la Lonja ihrer großartigen Kathedrale zubilligte. Einem Seefahrer unter Kirchenmännern, zu dem die ganze Bevölkerung aufschaut, ja aufschauen muss zu diesem hoch oben aufgebahrten Sarkophag, der etwas von einem Thron hat. Etwas so Großes, dass man davor sogleich bescheiden wieder den Kopf senkt, ja, geradezu das Bedürfnis verspürt, davor in die Knie zu gehen.  

Eine ganze Welt zu entdecken ist heute nicht mehr möglich. Nahezu jeder Quadratmeter der Erde ist inzwischen durchwandert, befahren, vermessen, auf seine Erschließbarkeit hin überprüft. Seefahrer, sofern es sie überhaupt noch gibt, sind nicht mehr auf der Jagd nach der Entdeckung von Länderein, Reichtümern und anderen Äußerlichkeiten, sie können die Abenteuer nur noch in ihrem Inneren finden. Wie der Deutsche Boris Hermann, der mit seiner Yacht an diesem Tag,  an dem ich vor Kolumbus‘ Grab stehe, ganz in der Nähe mit rasender Geschwindigkeit auf Gibraltar zuhält, um das härteste Segelrennen rund um die Welt, auf dem er sich seit über einem halben Jahr befindet, für sich und sein Team auf der letzten Etappe zu entscheiden. Es ist vor allem ein Kampf gegen sich selbst. Während der Admiral der Karacke Santa Maria und der beiden Karavellen Niña und Pinta vor einem halben Jahrtausend von Palos de la Frontera bei Huelva aus, auch dieser Ort ganz in der Nähe, eine Reise ins Ungewisse unternahmen, mit der Überzeugung immerhin, dass die Erde eine Kugel sei, weshalb es eine westliche Route nach Ostasien geben müsse. Eine Idee, die sich bereits bei Aristoteles fand, wie so Vieles, was wir Heutigen wissen.  

Was können wir, meine Frau und ich, also noch entdecken?  Wohin wird uns unsere Fahrt führen von diesem geschichtsträchtigen Ort aus? Die Welt, sie erscheint mir dieser Tage wieder geteilt in zwei Hälften durch die Säulen des Herakles, wie Gibraltar früher genannt wurde und das mir neuerdings wie ein Nadelöhr vorkommt. Ich habe die Erde von oben zur Genüge gesehen, habe sie merhfach umrundet. Doch hier unten komme ich mir vor wie eine winzige Fliege am Boden.
Der Mann neben mir muss auch meine Betroffenheit gespürt haben. Er wendet sich mir plötzlich zu und spricht mich auf englisch an:
Dieser, den man den großen Kolumbus nennt, was war so groß an ihm?  Was hat ein Abenteurer entdeckt, wenn er zeitlebens glaubte, etwas ganz anderes entdeckt zu haben? Sind wir nicht alle eher klein?
Darf ich mich vorstellen. Mein Name ist Diego, Diego Colón.

Buchthopping

Buchthopping

Der Frühling ist mit voller Wucht an der Algarve eingefahren. Kräftig durchwärmt die Sonne den noch winterkalten Körper und der frische Wind, der von den Hügeln herab an die Küste weht, hält sie nicht davon ab.

Über den ersten Mai sind Freunde aus Deutschland zu Besuch. Yvonne und Dominik sind kurzfristig von Düsseldorf nach Faro geflogen. Ein paar Tage raus. Raus aus dem Alltag, raus auf’s Wasser. Wir lassen es gemütlich angehen, fahren nach Westen und werfen den Anker in der nächstbesten Bucht. Morgens um zehn ist sie noch menschenleer. Wir haben sie für uns allein und tauchen ein in die Faszination der Felsküste, erkunden Grotten und Höhlen mit dem Dinghy. Am Nachmittag lichten wir Anker und setzen Segel. Kurz Süd. Wenn wir es so über Nacht laufen lassen, taucht morgen früh die Küste bei Casablanca vor uns auf… Alles zu seiner Zeit.

Wir liegen abends wieder sicher im Hafen und freuen uns auf einen Pfanne King Prawns, Portugese Style. Viermal bitte, ordert Carola bei der Bedienung und freut sich schon darauf, das frische Brot in die würzige Sauce zu stippen.

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