Wir liegen vor Anker in der wunderbaren Bucht des Naturhafens, wollen mit dem Dinghy an Land, haben Wäsche für den Waschsalon an Bord, Mülltüten auch, und gedenken, den kleinen Ausflug gemütlich mit einem Cappucchino zu verbinden. Cafés gibt es in Portocolom während der Saison ja reichlich. Doch der Motor des Beiboots springt nicht an. Carola verleidet sich daran und zuckt mit den Schultern. Ich versuche es auch; es gelingt unter Mühen, aber irgendwie kommen die fünf PS nicht in Gang, es ist, als würden sie sich verschlucken. Und das tun sie dann auch, mitten im Fahrwasser des Hafenbeckens, zwischen zwei passierenden Booten. Wir greifen für die Reststrecke zu den Paddeln. Drecksding. Schon wenn ich das Bild von einem Vergaser sehe, schwant mir Fürchterliches. Ein metallener Kasten mit Öffnungen, Klappen, Schrauben, Schläuchen; wie ein menschliches Herz sieht das aus, und der Gedanke, dass ich mich diesem Bauteil zuwenden muss, löst in mir pures Grauen aus. Ich bin kein Mechaniker, bin kein Tüftler und erst recht nicht Chirurg. Ich will das alles auch gar nicht werden. Aber wenn ich den Motor nicht wieder in Gang bekomme, haben wir in den kommenden Tagen ein verdammtes Problem. Wir erwarten Gäste, müssen Proviant aufnehmen, abends zumindest den Weg in ein Restaurant schaffen – an die geplante Passage nach Sardinien will ich gar nicht denken. Wer weiß, wie weit dort die Wege von einer Ankerbucht in das nächste Dorf sind.
Zu Hause würde man jetzt einfach einen Handwerker rufen. Nicht, dass hier einer kurzfristig vorbeikommen würde … Maybe in two weeks … das ist die zu erwartende Antwort. 
Ich lerne also, dass der Vergaser Benzin zerstäubt,  bevor es der Brennkammer zugeführt wird. Mittels Drosselklappe erfolgt die Regulierung des Benzin-Luftgemischs, was zu mehr oder weniger Power führt. Wenn das Benzin seit längerem im Kreislauf des Motors steht, kann es Klümpchen bilden, die sich auf der Düse des Zerstäubers festsetzen. Das war’s dann. Wie im richtigen Leben, wenn sich darin nichts mehr bewegt und die Blutbahnen sich zusetzen. Und weil ich diesen Gedanken nicht zu Ende denken will, setze ich mich in der prallen Sonne mit der Werkzeugkiste, ein paar Lappen und Tüchern ins Beiboot. Natürlich habe ich mich zuvor bei Youtube schlau gemacht. So geht das ja heute. Zumal die gedruckte Anleitung des Herstellers achtzig Euro kosten würde. Nach einer Stunde und drei Vergaser-Versager-Videos halte ich mich bereits für einen Experten. Diese Selbstüberschätzung ist nötig, um mich überhaupt ans Werk zu trauen, angesichts der Gefahr, dass ein wichtiges Schräubchen ins Wasser fällt bei dem Geschaukel. Das Dumme ist, das Teil ist nicht durchsichtig. Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob das, was ich vorhabe zu tun, in direktem Zusammenhang mit dem Motorproblem steht.

Zwei Stunden und ein Eimer voller Schweißperlen später reiße ich am Starter. Der Motor springt beim dritten Versuch an. Tatsächlich? Es grenzt an ein Wunder. Oder auch nicht. Ich habe eine ganze Menge gelber Masse wie Ohrenschmalz aus der Herzkammer des Bauteils gekratzt und gespült. Dass beim Zusammenbau nichts schiefgelaufen ist, war pures Glück.

Eine schöne Geschichte wäre das, soweit die ganze Wahrheit in ihr läge. Soweit außen vor bliebe, dass die Drosselklappe nach der Operation am offenen Herzen verklemmt und zu viel Benzin durchlässt, den Motor weiterhin zum Absterben bringt, mir selbst, nun ohne weitere Idee, nach Absterben zu Mute ist. Wie zum Teufel soll ich in Sardinien im August jemand finden, der mir mal schnell einen Außenborder repariert!

Simon und Elaine kommen an Bord, wahre Ozeansegler. Wir haben sie in Lagos kennengelernt, wo sie seit einigen Jahren auf ihrem Boot leben, und von wo aus sie demnächst zu zweit die Welt umsegeln wollen. Ich komme nicht umhin, das Problem anzusprechen, das mich plagt.
Wirklich, fragt Simon. Sein Gesicht hellt sich auf wie ein Morgen, wenn die Sonne aufgeht. Er liebt es, wenn er ein Problem wie dieses zu lösen hat, und keine dreißig Minuten später, gleich nach dem Willkommensdrink an Bord, lässt er sich die Werzeugkiste geben. Er ist ein Tüftler, zerlegt ohne Scheu vor der Sache und dem erfolglosen Eigner das, was er einen carburetor nennt, im Windeseile und findet schließlich den Fehler, eine vom Eigner verkehrt herum eingelegte Plastikdichtung, die der Drosselklappe den benötigten Bewegungsspielraum nimmt. Als alles wieder zusammengesetzt ist strahlt er wie ein kleiner Junge, dem man einen Gefallen getan hat. Die Überfahrt nach Sardinien kann beginnen.

Last Updated on 24. July 2025 by KMF

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