Landtag. Crewmitglied Freund Ralph, der mit uns seit Lagos unterwegs ist, geht planmäßig bei Malaga von Bord. Er war uns eine wertige Unterstützung. Zu dritt entspannen sich die Abläufe an Bord wie eine Leine, an der das Zerren des Windes nachlässt. Und jetzt haben wir niemand mehr, der am Abend mit uns Binokel spielt, das Kartenspiel unserer Vorväter.

Wir nutzen den Tag und fahren nach Córdoba, wo man an der Kathedrale sehen kann, wer über Jahrhunderte die Herrren der Stadt waren. Maurische Rundbögen, römische Säulen, gotische Kuppeln und, in neuester Zeit, Ticketautomaten, Absperrbänder, Mülleimer, übervolle. Wie alles hier übervoll ist. Der Innenhof der Kathedrale, ihre heiligen Hallen mit den zahllosen Hufeisenbögen,  die engen Gassen des alten jüdische Viertels, die römische Brücke über den Guadalquivir, dessen Mündung  bei Sanlucar wir vor einer Woche passiert haben. Es ist kaum möglich, nicht gelegentlich angerempelt zu werden. Schon gar nicht, während der kleine Free Palestine Protestmarsch sich trommelnd den Weg bahnt. Ein beliebiger Tag Ende März. Die schiere Masse der Touristen hat sich des Ortes bemächtigt, auf der ihr eigenen Art, die Höhepunkte der Welt als Kulisse für das vermeintliche Ich, das stets sich in den Vordergrund auf ein Bild vom mobilen Gerät drängt. Ähnliches sah ich zuletzt in Lissabon vor einigen Jahren. 

Weg aus dem Gedränge in eine ruhige Seitengasse, die aus der Altstadt herausführt, stellt sich jenseits der alten Stadtmauer das Gefühl des ‚Normalen‘ wieder ein. Wenige Menschen auf der Straße. Und dann stehe ich plötzlich vor der Statue eines großen Mannes dieser Stadt. Als Einziger. Kaum einer kennt Averroēs.

Neben dem Medicus Ibn Sina war Averroës der zweite große orientalische Gelehrte des Mittelalters. Er schrieb zu fast allen Werken von Aristoteles Kommentare und kam zum Schluss, dass das Glück in der Anwendung von Logik liegt. Mit dem Verstand die rechten Schlüsse ziehen, wie der große Philosoph des griechischen Altertums. Aus den Daten der Sinne zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

Das Gegenteil dessen, was ich heute in der Stadt gesehen habe, wo die Leute vom trügerischen Glück des eigenen Bildes darauf schließen, wie die Welt sein müsse. Ich überlege kurz, ob ich ein Selfie mit Averroës machen soll. Und lasse es dann.

Last Updated on 30. March 2025 by KMF

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