„Marina de Lagos – Marina de Lagos – This is SY Dream Chaser – Come in please – over“
Die leicht verzerrte Antwort aus dem Handfunkgerät erfolgt umgehend: „This is Marina de Lagos – Go ahead please – over“
Wie häufig hatten wir in den letzten zweieinhalb Jahren als Langzeitlieger in der uns liebgewonnen Marina diesen Funkverkehr wohl geführt mit der immergleichen Rückmeldung „The bridge will open in 5 minutes – over and out“
Es sind die üblichen portugiesischen 5 Minuten – aus denen auch schnell mal 20‘ werden können. An der Westküste der Iberischen Halbinsel ticken die Uhren nunmal anders.
Wir sind bereit zum Auslaufen.
Mein Blick bleibt auf der ockerbraunen, undurchdringlichen Wasseroberfläche, verschlammt durch tagelange starke Regenfälle, hängen. Eine Farbe wie der morgendliche Kaffee meines Chefs. Lagos will mich loswerden – mein Chef will es nicht, das weiß ich. Es war zunächst eine Art Schockstarre gefolgt von Bedauern, als ich ihn vor ein paar Tagen über meine Entscheidung, aus dem Berufsleben in Kürze auszuscheiden, in Kenntnis setzte. Es ist mehr als das – es ist ein Loslassen.
Ein Prozess den ich in den letzten zwei Jahren durchlebt habe. Ich will frei sein, raus aus dem Hamsterrad.
All das brauchte seine Zeit, die mich emotional abwechselnd vom Wellen-Peak in das Wellental und wieder nach oben gespült hat. Eine starke Auseinandersetzung mit mir selbst.
Die anfängliche Panik des Loslassens hat sich mittlerweile in pure Freude und Erleichterung gewandelt, die auch meine Familie und Freunde mit mir teilen. Es fühlt sich rundherum gut an. Es ist ein Neubeginn.
Das Tonsignal, das kurz vor Öffnung der Brücke ertönt und die Fußgänger sogleich in die Schranken weist, um den Schiffsverkehr passieren zu lassen, holt mich zurück in das Hier- und Jetzt.
Ich sehe zu, wie sich die Brückenmitte langsam öffnet und gebe meiner Crew, bestehend aus Ehemann und gutem Freund, das Kommando „Leinen los“. Die Dream Chaser gleitet an den Nachbarbooten vorbei – unsere Freunde und Bekannte stehen an Deck der „Bobby Dazzler“, der „Castle Island“ und winken uns zum Abschied noch einmal zu. Auch Peter auf seiner geliebten „Salara“,scheint es mir, obwohl er bereits vor über einem Jahr auf ihr verstorben ist.
Ich schaue vor mir in den Himmel und konzentriere mich auf die beiden nach oben ragenden Brückenhälften – Mastposition Kurs mittig – so, wie immer – so, nun zum letzten Mal. Ich hebe mein Arm zu einem letzten Gruß an den Marinero im Marinatower.
Die Bugwellen umspielen die Dream Chaser auf dem Weg durch den Kanal auf das Meer hinaus. Mein verschwommener Blick heftet sich länger als sonst auf die eiserne Brücke hinter uns – bis das Tonsignal letztmalig verstummt.
Ein Vorwärts – kein Rückwärts – so also fühlt es sich an – das Ende vom Anfang unserer Odyssee.
Die Algarve ist wütend. Mit heftigem Wind und gut zwei Meter Welle von schräg Achtern schüttelt sie uns zwei Tage lang durch, bis wir die spanische Grenze erreichen.
Ich lasse meinen Blick immer wieder über den Horizont gleiten, bis ich die Küste Marokko’s schemenhaft erkennen kann. Die Sonne spiegelt sich in der Bucht von Cadiz.
Die Leinen sind los.

Last Updated on 15. Mai 2025 by Carola
Seglerin, Sonnenkind, Berufsoptimistin