Boss Luca

Boss Luca

Der Süden Kampaniens hat es mir angetan. Eine bergige Landschaft, schroffe Küsten mit flachen Strandabschnitten. Pinenwälder und Olivenhaine. Sattes Grün im September. Kleine Städtchen säumen die Ufer. Sie wirken ursprünglich, nicht wie vom Tourismus vergewaltigt.
In jeder Hafeneinfahrten wacht die örtliche Madonna über die Sicherheit der Seefahrer.
Man braucht hier keine Uhr, die Kirchenglocken schlagen die Stunde und ihr Viertel, es erinnert mich an meine Kindheit. Agropoli, Palinuro, Scario. Alles wirkt wohlgeordnet und organisiert. Als wolle man sich hier abheben vom Elend der großen Stadt im Norden.
Freilich gilt das nicht für alle Bereiche des Lebens. Im Hafen von Sario ist Luca ist der örtliche Boss am Pier. Mangels Hafenmeister, Abwesenheit der Küstenwache oder anderer Offizieller macht er den Chef. Die Erstkommunikation erfolgt per WhatsApp. Damit lassen sich Anfragen leicht übersetzen. Luca spricht kein Englisch.
Klar, schreibt er, ich habe für Euch einen Platz an der Hafenmauer. Zweihundert schreibt er in einer separaten Nachricht. Das wäre allerdings so teuer wie im Golf von Neapel zur Hochsaison.
Ich will mich schon aufregen. Aber dann reizt mich der Versuch nachzuhaken. Sorry, zu teuer für uns. Ob er auch einen Platz für hundertzwanzig habe.
Die Antwort lässt keine fünf Minuten auf sich warten. Claro, 120€ ok, in cash.

Eine Stunde später legen wir an einer jüngsten komplett renovierten Hafenmauer an. Gute Arbeit in Stein, samt neuer Beleuchtung, Strom und Wasseranschluss. Die Leitung hat einen hohen Druck wie noch nie in einem Hafen. Drei Jungs helfen beim Anlegen. Der Boss kommt eine halbe Stunde später auf dem E-Bike mit fetten Reifen ans Boot. Kurzgeschorenes Haar, weißes Muskelshirt, weiße Shorts, weiße Turnschuhe. Er trägt drei schwere goldene Halsketten, eine protzige goldene Uhr und eine Sonnebrille mit vergoldeten Gläsern und hat nicht vor, abzusteigen. Wir reden nicht viel. Ich gebe ihm die Scheine passend und frage nach der den Formalitäten der Anmeldung.
Keine Anmeldung, sagt er, und wünscht uns einen schönen Tag, bevor er sein Bike in Gang setzt ohne ein einziges Mal zu treten.

Scario am Abend

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