Ankommen

Ankommen

600 Meilen haben wir in den letzten fünf Wochen gemacht. Seit wir Lagos verlassen haben fast 2000. Und nun die letzten acht. Das letzte Mal die Motoren an, das letzte Mal die Segel setzen. Ankommen ist ein seltsames Gefühl. Wir haben uns das jedenfalls als schön, positiv, genugtuend, wie auch immer ausgemalt: Eine schnuckelige Marina mit allem Komfort, am Fuß des Ätna, ein nettes Dörfchen nebenan.
Bis zu dem Moment, als die Rezeptionistin uns einen Winterliegeplatz an der Außenmauer des Yachthafens zuwies. Dort liegen die Superyachten längsseits. Der Bereich ist zwar vom Meer durch eine weitere Hafenmauer abgetrennt, aber bei starkem Nordwind baut sich innerhalb des leeren Beckens eine kappelige See auf. Für die Großen kein Problem. Für uns hingegen schon. Während die inneren Bereiche mit Schwimmpontons ausgestattet sind, müssen wir mit dem Heck an der Außenseite der Hafenmauer festmachen. Bei mehr als 30kt Wind werden wir gnadenlos gegen die Mauer gedrückt. Den dritten Tag geht das jetzt schon so. Wenn wir uns mit den Leinen in angemessenem Abstand zur Mauer platzieren, liegt das Boot bei nachlassendem Wind mehr als zwei Meter davor, so weit, dass wir nicht mehr das Boot verlassen können. Die Dream Chaser ruckelt Tag und Nacht hin und her und zerrt an den Leinen, als wolle sie sich befreien. Bei Böen, die auch Dächer abdecken würden, schlägt die unruhige See so stark gegen die Mauer, dass uns die Gischt auf dem Achterdeck entgegenfliegt. Unsere Stimmung ist am Tiefpunkt.
Die Rezeptionistin sagt, sie habe keinen Platz für uns im Innenbecken. Fully booked. Sie und der Marinero schauen uns wie begriffstutzig an. The place is fine. I don’t understand your problem.
Wir fühlen uns übervorteilt. Wir haben bereits im Januar reserviert, der Liegeplatz ist teuer. Ein ruhiges Plätzchen in einer sicheren Marina fühlt sich anders an.
Ankommen ist das Schwerste überhaupt.

Der Rest von zwei Meter Abstand
Ende einer Reise

Ende einer Reise

Neben der Dream Chaser liegt die Salara.
Ein Zweimaster aus Holz und Stahl, der vom Bug bis zum Heck kaum zehn Meter misst. Klein, aber groß genug, um einen Mann zu beherbergen.
Salara ist der Name eines oberitalienischen Dörfchens.
Warum das ‚a‘ am Wortende?, wollte ich von Peter, dem britischen Eigner wissen.
Well, antwortete er, Schiffe sind schön. Und launisch. Und manchmal beides. Sie können nur weiblich sein.
Peter lebt seit Jahrzehnten auf der Salazara. Er ist mittlerweile über achtzig und hat seine Familie in England seit Jahren nicht gesehen. Seine Frau nicht, seinen Sohn nicht. Nur seinen Neffen, der Fußball spielt, den sieht er ab und zu, wenn ein Spiel dessen Zweitligamannschaft im Fernsehen übertragen wird. Dafür geht er gelegentlich in eine Sportsbar vor Ort.
Wer weiß, wann die Salazara zuletzt ausgelaufen ist. Sie hat stark Rost angesetzt, Die Segel wirken zerschlissen, die Leinen abgeschossen, das Teakdeck muss repariert werden.
You know, verrät er mir an einem Sonntag morgen, als er lautstark seine Ankerkette auf dem Ponton ausbreitet, weil sie dringend gereinigt werden muss, am Sonntag! Wenn ich das Geld hätte, würde ich mich als erstes scheiden lassen. Und dann würde ich mir ein neues Schiff kaufen. 
Zwei Tage darauf fahren wir nach Hause.
Als wir vier Wochen später wieder zurückkehren, bleibt es ruhig auf dem Liegeplatz neben uns. Peter ist gestorben. Man hat ihn auf seinem Boot gefunden. Er saß zusammengesackt am Steuerstand unter Deck.

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