Capri ist ein Muss. Wir waren vor zehn Jahren schon einmal hier. Das Städtchen, das sich auf dem Sattel der Insel wie gemalt einfügt, ist einen Besuch wert. Seit über hundertzwanzig Jahren kommen Künstler, Schriftsteller, Freigeister, und sie bleiben länger. Ein Krupp-Erbe erbaute sich hier seinen Traum einer Villa hoch über dem Meer. Hier konnte er unbehellicht leben. Kaiser Tiberius regierte von hier aus zwölf Jahre lang das römische Imperium. Rilke kam 1907, nachdem er sich mit Rodin überworfen hatte. Hier fand er Inspiration für seinen Band Der neuen Gedichte anderer Teil. Das Lied vom Meer ist unterzeichnet mit Capri. Piccola Marina

Und dann, das Liebes – Lied. Ich muss es einfach in Gänze niederschreiben:

Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiter schwingt, wenn deine Tiefen schwingen.

Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

Die Häuser im Zentrum Capris sind stilvoll, gepflegt und stehen im krassen Kontrast zu allem, was wir sahen, seit wir die Toskana hinter uns gelassen haben. Allgegenwärtiges Symbol ist die prächtig-pralle Zitrone. Eine Insel aus Reichtum und Überfluss. Die Menschen bewegen sich darauf wie als Teil eines exotisch kunstvollen Ganzen. Es wirkt wie ein Versuch, die Grenzen zwischen Kunst und Leben zu überwinden, wenn sie am Abend in den Gässchen des verwunschenen Ortes und auf dem zentralen Platz vor der Kirche ihr  Schaulaufen abhalten, wenn auffallend attraktive und gepflegte Frauen an den Schaufenstern der Boutiquen vorbeischlendern, als würden sie sich dafür interessieren, während es ihnen doch vor allem darum geht, gesehen und bewundert zu werden. Dazu ein Mann an ihrer Seite, oft aus gutem Hause, aber auffallend öfter einer, der aus seiner Rolle fällt. In Shirt und Shirts mit Schlappen, ein schlurfender Gang, ein ungepflegter Bart. Kaum vorstellbar, dass hier gegenseitige Zuneigung im Spiel ist. Aber wer spielt hier welche Rolle?

#capri. Das ist für viele der Blick von der Terrasse zwischen von Bougainvilla umschlungenen Säulen hindurch, hinab auf die Bucht, das Felsentor Faraglioni, vor dem man sich unbedingt ablichten lassen möchte, am besten vom Boot aus. Morgens ab neun fahren die ersten umgebauten Kutter mit den schönen Touristinnen an Bord hinaus, für dieses eine Bild. Sie drapieren sich auf der Kunstledermatte am Vorschiff wie Diven, durch und durch gestylt, mit Handtäschchen. Die Frauen lassen sich das mehrere Hundert Euro kosten, um bei den Likes ganz vorne mit dabei zu sein. So kann man auch die schönsten Plätze der Welt zur Kulisse eines leeren Ichs abwerten.

Last Updated on 28. September 2025 by KMF

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Segler, Autor

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